Wie bist Du eigentlich Franziskaner geworden? (von Br.Christoph-Maria)


Das ist eine Frage, die man mir oft stellt und jetzt soll ich es auch noch schriftlich geben. Die einfachste Antwort wäre: " Ich war schon immer Franziskaner, von Geburt an oder auch schon früher." Doch bis zu dieser einfachen Antwort ist es doch ein etwas längerer Weg.

Tatsächlich hat es mit mir am 21. Juli 1975 begonnen, da bin ich als jüngstes von drei Kindern in eine Bauernfamilie in Biesendorf (Deutschland) hineingeboren worden. Meine Kindheit und Jugend war geprägt vom Leben auf dem Land, umgeben von Menschen die mich durch ihre Erdverbundenheit, Ehrlichkeit und Einfachheit sehr fasziniert haben. Ich war eingebunden in das dörfliche Leben und bin ganz normal katholisch aufgewachsen d.h. nicht besonders fromm, aber doch mit der Kirche und dem Glauben als Ministrant und in der Jugendarbeit verbunden. Nach der Schulzeit habe ich meinen Zivildienst in einem Altenheim abgeleistet. Die Begegnung mit den Menschen dort, die Konfrontation mit Leid und Tod, mit der anderen Wirklichkeit des Lebens hat mich sensibel gemacht für die Frage nach dem Sinn und der Weite des Lebens.

In dieser Zeit habe ich auch Kontakt bekommen mit den Kreuzschwestern von Hegne (Ingenbohler Schwestern). Dort im Haus Franziskus, einem Begegnungshaus für Jugendliche, habe ich Menschen kennengelernt, die versucht haben ganz für Gott zu leben. Dort waren Glaube, Gott und Sehnsucht Themen worüber gesprochen wurde. Dort habe ich einen Raum gefunden, wo ich meine Fragen besprechen konnte und wo ich beten gelernt habe. Dort habe ich auch Franziskus kennengelernt und die Faszination für die Leidenschaft, Einfachheit und Radikalität seines Lebens mit der Sehnsucht Jesus nachzufolgen.

Irgendwann habe ich bemerkt, dass dieser Gott etwas mit mir persönlich zu tun hat. Aus dem etwas allgemeinen "Vater unser" oder "Jesus ist für uns gestorben" ist ein "Mein Vater" und ein "Jesus ist für mich gestorben" geworden. Und da hab ich mich gefragt, was das nun für mein Leben bedeutet d.h. welche Antwort soll ich nun darauf geben? Welches Leben soll ich nun führen?

Die erste Antwort die ich darauf geben konnte war, dass ich ins Priesterseminar meiner Heimatdiözese Freiburg i. Br. eingetreten bin. Das war keine leichte Entscheidung, denn ich habe ziemlich alles was mir bis dahin wichtig war zurückgelassen, meine Familie, das Dorf, mein ganzes damaliges Leben. Und ich bin mit meiner Entscheidung nicht nur auf Zustimmung gestossen. Aber in all dem habe ich eine grosse Freude gespürt. Die Sehnsucht nach dem Mehr an Leben hat mich getrieben.

Die Zeit im Seminar war geprägt von Beziehungen d.h. Beziehung zu Gott, zu mir selber und zu Menschen. Für das, was ich dort geschenkt gekommen habe bin ich sehr dankbar, vor allem für die wunderbaren Menschen, die ich kennenlernen durfte. Ich war auf dem richtigen Weg. Ich war meiner Sehnsucht gefolgt und hatte Antwort gegeben. Doch bei all dem war es mir wichtig immer wieder zu hören, was Gottes Wille für mich ist. Und irgendwie war da noch was, eine Unruhe, ein Herzklopfen, das mich nicht zur Ruhe kommen liess. Es schien noch mehr zu sein als ich jetzt schon lebte. Ich sollte weitergehen. Der Gedanke an eine Gemeinschaft, an Franziskus ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Aber jetzt war ich doch im Seminar, hatte schon einen Teil der Ausbildung gemacht. Konnte ich da einfach etwas anderes machen?

In dieser Zeit lass ich in einem Buch über Franziskus den lateinischen Satz: "Tu es." Das heisst auf deutsch: "Du bist." Wenn man es deutsch liesst ist es eine Aufforderung, die sagt:"Tu`s ! Mach`s!" Zusammen habe ich es für mich übersetzt mit: "Tu es und du wirst sein!" Aber wohin sollte ich? Da habe ich zu Gott gesagt: "Ich tu es, bin bereit weiter zu gehen, aber du musst auch deinen Teil dazu beitragen. Zeig mir deinen Willen." Und da Gott selten direkt Post vom Himmel schickt, sondern unsere Wirklichkeit, unser Leben der Ort ist, wo Gottes Wille sichtbar wird, habe ich geschaut was denn in meinem Leben schon da ist. Und durch dieses Schauen bin ich zu den Franziskanern in die Schweiz gekommen.

Ich glaube, dass Berufung ganz konkret ist und das hiess für mich konkret die Schweiz, das hiess aber auch, wieder aufbrechen, Menschen, Dinge und Gewohnheiten zurücklassen und ins Ungewisse gehen, denn ich kannte meine Provinz vorher nicht. Aber das war auch nicht wichtig. Wir suchen uns den Willen Gottes oder unsere Berufung nicht selbst aus, sondern wir sagen ja dazu oder auch nicht.

Meine Postulatszeit habe ich in Näfels (GL) verbracht und mein Noviziat in Telfs (Tirol). Es war eine Zeit des sich eingewöhnens und der Vertiefung meiner franziskanischen Berufung. Es war aber auch eine Konfrontation mit der Realität des Ordenslebens, die oft nicht mit unseren Idealen zusammenpasst. Doch in all dem versucht man die Sehnsucht wachzuhalten. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben, die Sehnsucht nach Gott, nach Heil-sein und Ganz-sein.

Ich habe mich auf ein Abenteuer eingelassen, von dem ich noch nicht weiss wo es endet, von dem ich hoffe, dass es gut wird, von dem ich ahne, dass hinter allem Gott steht.

Ich war schon immer Franziskaner. Alle Teile meines Lebens zusammen haben mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. Und das, was ich jetzt bin und noch werde hat damit begonnen, dass Gott zu mir Ja gesagt und mir mein Leben geschenkt hat.

Alles, was ich bis jetzt gesagt habe kann jedoch nicht beschreiben was in dieser Zeit alles geschehen ist. Das Wichtigste steht vielleicht irgendwo zwischen den Zeilen. Irgendwo, irgendwie, irgendwann ist es geschehen.

Romano Guardini schreibt: "Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und meine Freude. Immerfort blickt Dein Auge mich an, und ich lebe aus diesem Blick. Du, mein Schöpfer und mein Heil. - Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, das ich bin und dass ich bin durch Dich und vor Dir und für Dich."

Das Geheimnis geht weiter.

Bruder Christoph-Maria.