In Zürich beginnt Weihnachten Ende Oktober: Sterne werden aufgehängt, erste Christ-bäume, Weihnachtsmusik und mitten im Krawall der Geschäfte immer wieder „Stille Nacht“. Weihnachten ist einer der wichtigsten Zeiten grosser finanzieller Einnahmen. Wie hat doch einer der Besitzer einer Würstelbude in Graz so schön gesagt: in der Adventszeit würde er gleich viel verdienen wie das gesamte restliche Jahr.
Advent aber heisst warten, warten, bis etwas kommt oder warten bis jemand kommt. Zweifellos ist das eine unglaublich unangenehme Zeit. In der Kindheit hatte ich immer grösste Mühe beim Adventskalender zu warten, bis das letzte Türchen vom 24. Dezember offen war. Denn es war immer das Grösste und ich könnte nur träumen, welche riesige Schokolade dahinter sein musste. Vielleicht gar Marzipan! Doch heute ist das nicht einfacher: ich habe schon einen Glühwein auf dem Zürcher Weihnachtsmarkt getrunken, habe den wiederverwertbaren Christbaum unserer Gemeinschaft im Garten angeschaut (mit Wurzeln dran!) und habe die gemütliche Weihnachtsfeier 2019, zusammen mit den Weihnachtsgottesdiensten, fix im Plan. Wann aber geschieht mir Weihnachten? Wann wird mir Weihnachten?
Gerade eben war es. Plötzlich, völlig unerwartet ist Weihnachten gekommen. Und Christus wurde in der Kleinheit unserer Welt am Rande von Zürich geboren. An der Adventsfeier des „Chrischtähüsli“, einem Ort der Sorge um arme Menschen und Menschen am Rande unserer Gesellschaft hier in der Stadt Zürich, sass ich neben einem Mann, den ich noch nie gesehen habe, der aber gleich mit mir zu sprechen begann. Er war ausserordentlich nett, aber offensichtlich gar kein Heiliger. Er erzählte von der Gewalt seines Vaters gegenüber seiner Mutter, die er in seiner Familie erleben musste, vom Grossvater, der seinem Vater auch böse Gewalt angetan hat, vom Leiden der Kinder in seiner Familie, vom Gefängnis, wo er längere Zeit war, und von der Fremdenlegion, in der er gekämpft hätte, schlussendlich im grausamen Krieg in Afghanistan. Unbedingt wollte er noch einen zweiten Teller zu Essen, war dann aber sofort bereit, ihn mit seinem Nachbarn zu teilen. Ein wunderbares Bild. Obwohl es keinen Alkohol gab, hat er verborgen eine Büchse Bier aufgemacht und diese ungesehen getrunken. Schliesslich habe ich ihm einen Kaffee geholt und etwas Süsses. Er konnte es gar nicht fassen, dass ich ihn bedient habe, ohne selber einen Kaffee zu nehmen. In diesem Moment war mir das Kind in der Krippe ganz gegenwärtig.
Es schaut nicht auf den Erfolg meines Lebens. Meine Fehler und Sünden nimmt es an und schenkt einen Neubeginn. Das Jesuskind ist einfach da und lächelt mich an, ohne über mein Leben zu urteilen. Es freut sich da zu sein und freut sich, dass ich da bin. In diesem Hiersein ist Weihnachten. Das habe ich in diesem Moment erleben dürfen.
Herzliche Einladung zur Weihnachtsfeier! In der unfassbaren Kleinheit und Demut der Eucharistie in der Heiligen Nacht oder in einem einfachen Menschen am Rande unserer Gesellschaft. Es ist gut beides mit ganzer Leidenschaft zu suchen. Und in beidem selber gesucht zu werden.