Testament


Das in alten Handschriften mehrfach und gut bezeugte Testament wurde von Franziskus nach langen Überlegungen, vielleicht in mehreren Etappen, in den letzten Wochen seines Lebens einem Mitbruder Sekretär diktiert.

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1 So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen:  denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. 2 Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen.  

3 Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und  verließ die Welt. 
4 Und der Herr gab mir in den Kirchen einen solchen Glauben, dass ich in Einfalt so betete und sprach: 5 „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, [hier] und in allen deinen  Kirchen auf der ganzen Welt, und wir preisen dich, weil du durch dein heiliges Kreuz die  Welt erlöst hast.“

6 Danach gab und gibt mir der Herr einen so großen Glauben zu den Priestern,  die nach der Form der heiligen Römischen Kirche leben, auf Grund ihrer Weihe, dass  ich, wenn sie mich verfolgen würden, bei ihnen Zuflucht suchen will. 7 Und wenn ich  so große Weisheit hätte, wie Salomon sie gehabt hat, und fände armselige Priester dieser Welt – in den Pfarreien, wo sie weilen, will ich nicht gegen ihren Willen predigen.
8 Und diese und alle anderen will ich achten, lieben und ehren wie meine Herren.

9 Und ich will in ihnen die Sünde nicht beachten, weil ich den Sohn Gottes in ihnen unterscheide und sie meine Herren sind. 10 Und deswegen tue ich das, weil ich  leiblich von ihm, dem höchsten Sohn Gottes, in dieser Welt nichts sehe als seinen  heiligsten Leib und sein heiligstes Blut, das sie selbst empfangen und sie allein den anderen darreichen. 11 Und ich will vor allem, dass diese heiligsten Geheimnisse geachtet,  verehrt und an kostbaren Stellen aufbewahrt werden. 12 Seine geschriebenen  heiligsten Namen und Worte will ich, wo immer ich sie an unpassenden Stellen finden  werde, auflesen und bitte, dass sie aufgelesen und an einen ehrbaren Ort hingelegt werden. 13 Und alle Theologen und die Gottes heiligste Worte mitteilen, müssen wir achten und ehren als solche, die uns Geist und Leben mitteilen.

14 Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hatte, zeigte mir niemand, was ich  tun sollte, sondern der Höchste selbst hat mir offenbart, dass ich nach der Form des  heiligen Evangeliums leben sollte. 15 Und ich habe es mit wenigen Worten und schlicht  aufschreiben lassen, und der Herr Papst hat es mir bestätigt. 16Und jene, die kamen,  Leben zu empfangen, gaben alles, was sie haben mochten, den Armen. Und sie waren  zufrieden mit einer einzigen Kutte, innen und außen geflickt, samt Strick und Hosen.     17 Und mehr wollten wir nicht haben.

18 Das Offizium sprachen wir Kleriker wie andere Kleriker, die Laien sprachen Vaterunser;  und sehr gern verweilten wir in den Kirchen. 19 Und wir waren ungebildet und allen untertan.

20 Und ich arbeitete mit meinen Händen und will arbeiten; und ich will nachdrücklich,  dass alle anderen Brüder eine Handarbeit verrichten, die ehrbar ist. 21 Die es  nicht können, sollen es lernen, nicht aus dem Verlangen, Lohn für die Arbeit zu erhalten, sondern um ein Beispiel zu geben und den Müßiggang zu vertreiben. 22 Und wenn uns einmal der Arbeitslohn nicht gegeben würde, so wollen wir zum  Tisch des Herrn Zuflucht nehmen und um Almosen bitten von Tür zu Tür.

23 Als Gruß, so hat mir der Herr offenbart, sollten wir sagen: „Der Herr gebe dir Frieden!“  24 Hüten sollen sich die Brüder, Kirchen, ärmliche Wohnungen und alles, was für  sie gebaut wird, überhaupt anzunehmen, wenn sie nicht sind, wie es der heiligen  Armut entspricht, die wir in der Regel versprochen haben; und sie sollen dort immer  herbergen wie Pilger und Fremdlinge.

25 Ich befehle streng im Gehorsam allen Brüdern, wo sie auch sind, ja nicht zu  wagen, irgendeinen Brief bei der römischen Kurie zu erbitten, weder selbst noch  durch eine Mittelsperson, weder für eine Kirche noch sonst für einen Ort, weder unter  dem Vorwand der Predigt noch wegen leiblicher Verfolgung; 26 sondern, wo immer  man sie nicht aufnimmt, sollen sie in ein anderes Land fliehen, um mit dem Segen Gottes Buße zu tun.

27 Und fest will ich dem Generalminister dieser Brüderschaft gehorchen und sonst  dem Guardian, den er mir nach seinem Ermessen gibt. 28 Und ich will so gefangen sein in seinen Händen, dass ich nicht gehen noch handeln kann gegen den Gehorsam und seinen Willen, weil er mein Herr ist. 

29 Und obwohl ich einfältig und krank bin, will ich doch immer einen Kleriker

haben, der mit mir das Offizium betet, wie es in der Regel steht.

30 Und alle anderen Brüder sollen gehalten sein, ebenso ihren Guardianen zu gehorchen  und das Offizium der Regel gemäß zu halten. 31 Und sollten sich solche finden,  die das Offizium nicht der Regel gemäß hielten und durch eine andere Art  abändern wollten oder nicht katholisch wären – alle Brüder, wo sie auch sind, sollen  im Gehorsam verpflichtet sein, einen solchen, wo sie ihn auch finden, dem nächsten  Kustos jenes Ortes, wo sie ihn gefunden haben, vorzuführen. 32 Und der Kustos sei streng im Gehorsam verpflichtet, ihn bei Tag und Nacht wie  einen Gefangenen scharf zu bewachen, so dass er seinen Händen nicht entrissen werden  kann, bis er ihn in eigener Person den Händen seines Ministers übergibt. 33 Und  der Minister sei streng im Gehorsam verpflichtet, ihn durch solche Brüder zu schicken, die ihn bei Tag und Nacht wie einen Gefangenen bewachen, bis sie ihn vor den Herrn von Ostia geführt haben, welcher der Herr, Beschützer und Verbesserer der ganzen  Bruderschaft ist.

34 Und die Brüder sollen nicht sagen: Dies ist eine andere Regel; denn dies ist eine  Erinnerung, Ermahnung, Aufmunterung und mein Testament, das ich, der ganz kleine Bruder Franziskus, euch, meinen gebenedeiten Brüdern, aus dem Grunde mache,  damit wir die Regel, die wir dem Herrn versprochen haben, besser katholisch  beobachten.

35 Und der Generalminister und alle anderen Minister und Kustoden seien im Gehorsam  gehalten, diesen Worten nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen. 36 Und  immer sollen sie dieses Schriftstück bei sich haben neben der Regel. 37Und auf allen Kapiteln, die sie halten, sollen sie auch diese Worte lesen, wenn sie die Regel lesen.

38Und allen meinen Brüdern, Klerikern und Laien, befehle ich streng im Gehorsam,  dass sie keine Erklärungen zur Regel und auch nicht zu diesen Worten hinzufügen,  indem sie sagen: So wollen sie verstanden werden. 39 Sondern wie mir der Herr gegeben  hat, einfältig und lauter die Regel und dieseWorte zu sagen und zu schreiben, so einfältig und ohne Erklärung sollt ihr sie verstehen und mit heiligem Wirken bis ans Ende beobachten.

40 Und wer immer dieses beobachtet, werde im Himmel erfüllt mit dem Segen des  höchsten Vaters, und auf Erden werde er erfüllt mit dem Segen seines geliebten Sohnes  in Gemeinschaft mit dem Heiligsten Geiste, dem Tröster, und allen Kräften des  Himmels und allen Heiligen. 41 Und ich, der ganz kleine Bruder Franziskus, euer Knecht, bestätige euch, soviel ich nur kann, innen und außen diesen heiligsten Segen.

(Quelle: Franziskus-Quellen – Die Schriften des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden, im Auftrag der Provinziale der deutschsprachigen Franziskaner, Kapuziner und Minoriten herausgegeben von Dieter Berg und Leonhard Lehmann, Verlag Butzon & Bercker)