Ein Impuls zum 1.Adventssonntag

Es war im Jahre 1622. In jenem Jahr hat der Jesuitenpater Friedrich Spee ein Lied

gedichtet, das bis heute zu unseren vertrauten Adventsliedern gehört: O Heiland reiss die Himmel auf. 1622 ist mitten in einer furchtbaren Zeit. Der Dreissigjährige Krieg tobt; die Pest wütet und entvölkert in Europa ganze Landstriche. Als Folge davon gibt es Hungersnöte.

In der grossen Verzweiflung sucht man Sündenböcke und findet sie unter anderen in den sogenannten Hexen. Jemand muss schuld sein. Es entsteht ein regelrechter Hexenwahn. Viele Frauen werden verdächtigt, durch ihre angeblichen Geheim-Künste, Krankheit und Krieg zu verursachen. Sie werden angeklagt, gefoltert und zum Tod verurteilt.

P.Friedrich Spee hat die Aufgabe, solche Frauen in ihren letzten Tagen seelsorgerlich zu betreuen; ihnen die Beichte abzunehmen - und da wird ihm klar, wieviel Unrecht, dass man diesen Menschen antut. Er verfasst eine Schrift dagegen– und er dichtet in dieser hoffnungslosen Zeit ein Lied. In der ersten Strophe zitiert er einen Vers aus der heutigen Lesung. Wir singen dieses Lied bis heute:
‚O Heiland, reiss die Himmel auf.‘ In einer weiteren Strophe heisst es: ‚Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt? Komm, tröst uns hier im Jammertal.‘ Und dann noch weiter: ‚Hier leiden wir die grösste Not, vor Augen steht der ewig Tod; ach komm, führ uns mit starker Hand, vom Elend zu dem Vaterland.‘ – Das ist keine abgeklärte, sanfte religiöse Sprache. Es sind heftige, stürmische Bitten; eine wuchtige Sprache – man will Gott nötigen. Aber wenn man den Hintergrund kennt -die furchtbare Zeit- dann weiss man, warum es so tönt. Dieses Lied ist aus menschlicher Verzweiflung geboren – und ist trotzdem voll von Gottvertrauen und dichterischer Schönheit. – Mich dünkt: Genau das macht die geheimnisvolle Kraft dieses Liedes aus: diese Worte sind durchlitten; sie sind mit Blut und Angst geschrieben – und mit Hoffnung.

P.Friedrich Spee versinkt nicht in Selbstmitleid oder in blinder Anklage. Er klagt zu Gott. Es gibt Not, die ist so gross; da kann niemand helfen – da kann man sich nur an Gott wenden. Es

wird zur Chefsache. Und genau das bedeutet Advent – Ankunft des Herrn.
Bei uns reduziert sich Advent manchmal auf Kerzenschein, Zimtsterne und Glühwein. Das ist auch schön. Nur ist ‚Advent‘ grundsätzlicher. Das zeigen uns oft die biblischen Lesungen in der Adventszeit und das zeigen uns Leute, wie Friedrich Spee.

Advent ist die unbeirrte Hoffnung, dass Gott kommt, in unser Leben, in unsere Fragen, in unsere Not. Advent ist die Bitte, dass Gott die Verhärtungen in unseren Herzen löst. Und dass das Vertrauen in uns aufwacht. Auf einer Wallfahrt hat mir einmal eine Frau anvertraut, sie mache diese Wallfahrt mit dem Anliegen, dass sie sich mit ihrer Schwägerin versöhnen könne. Seit über 20 Jahren würden sie nicht mehr miteinander reden; und sie leide unter dieser verfahrenen Situation. Sie hat in diesen Tagen tatsächlich die Kraft bekommen, im Herzen zu verzeihen und den Neuanfang zu machen.

Das ist Advent. Das bedeutet: Wach werden – so wie es Jesus verlangt. Bereit werden, die Tür meines Lebens aufzutun für Gott. So kann Jesus ankommen und geboren werden in meinem Leben. Ich wünsche uns allen ein Advent voll Hoffnung und Erwartung.
(P.Raphael Fässler OFM, Franziskaner in Maria Dreibrunnen)